wvs-04-TitelVerdammt, wir sitzen fest!
Gestern noch traumhaftes Wetter, heute Windstärke 6, in Böen bis 8 Beaufort. Bereits in der Nacht sind von meinem Tunnelzelt die Zeltstangen gebrochen. Ich stehe mit meinen Reisegefährten irgendwo an der estländischen Ostseeküste und blicke sorgenvoll auf das Meer. Draußen schieben sich die Kaventsmänner mit weißen Mützen vorbei. An eine Weiterfahrt ist nicht zu denken.
Den ganzen Winter hatten wir geplant. Nachdem wir zuletzt in Kanada auf Big-Salmon-River und Yukon mit Faltbooten unterwegs waren, sollten diesmal eine Nummer kleiner neue Fahrtenreviere in Estland erkundet werden. Die erste Idee einer Faltboottour mit Anreise im gecharterten Kleinflieger als Direktflug auf die Insel Saaremaa  erwies sich als zu kostspielig. Alternativ bot sich die Anreise mit dem Auto via Fähre Travemünde-Ventspils in Lettland an. Dieses hatte den Vorteil, dass wir statt mit dem Faltboot auf unsere Seekajaks zurückgreifen konnten.
Mitte August geht es los. Fünf Seekajakfahrer des Wassersport-Verein Süderelbe e.V. treffen sich an ihrem Bootshaus in Hamburg-Harburg und verladen ihre Kajaks samt „Expeditionsausrüstung“.  Schnell sind wir in Travemünde und schiffen auf der STENA-LKW-Fähre Flavia ein. Die Fähre erwies sich als Glücksfall. Die 26-stündige Passage ins Baltikum war absolut kurzweilig, entspannend und erholsam.

Wir durchqueren Lettland und erreichen nach einer weiteren Fährpassage unseren angedachten Startpunkt Orissaare auf der Insel Saaremaa. Im örtlichen Seglerhafen dürfen wir unsere Zelte aufstellen. Zur Freude meiner Mitreisenden und zu meinem Entsetzen ist das WLAN-Netz überall offen.
Schnell kommen wir mit Andrè, dem lustigen deutschsprachigen Betreiber der Hafenkneipe, ins Gespräch. Weißbier wird geordert. Die sichere Unterstellung von Auto und Anhänger wird organisiert. Für den nächsten Morgen bekommen wir sogar außerhalb der eigentlichen Öffnungszeiten ein deftiges Frühstück serviert.
Endlich geht es los, wir schieben unsere schwer beladenen Kajaks über eine Bootsrampe in das klare Wasser des Finnischen Meerbusens. Wir haben alles dabei, was für eine mehrtägige Seekajaktour an einsamen Küsten benötigt wird. Zelt, Schlafsack, Lebensmittel für viele Tage sind wasserdicht im Boot verstaut.
Der Wettergott meint es gut mit uns. Die Sonne scheint, kaum Wind. Ideale Bedingungen für unsere Seekajaktour von Orissaare nach Tallinn. Zunächst setzen wir von Saaremaa in das Inselgebiet bei Muhumaa über. Schon nach kurzer Zeit stecken wir in der Durchfahrt zwischen zwei Inseln fest, das Wasser wird immer flacher. Die Tiefenangaben in der Seekarte sind nicht eindeutig. Die Treidelstrecke könnte wenige hundert Meter, aber auch mehrere Kilometer betragen. Wir beschließen kein Risiko einzugehen und die Insel seeseitig zu umrunden, Umweg: 8km.
Nach einem langen Tag suchen wir einen Zeltplatz für unsere kleine Gruppe. Nicht ganz einfach! Wegen des geringen Salzgehaltes wächst im Uferbereich viel Schilf, welches das Anlanden erschwert.  
Schnell stehen die Zelte, das Kaffeetrinken geht nahtlos ins Abendessen über. Es ist immer wieder erstaunlich, was für leckere Gerichte auf unseren kleinen Trangiakochern gezaubert werden können.  Mit einem Glas Wein und einem zünftigen „auf Helmut“, unserem verletzt daheim gebliebenen sechsten Mann, lassen den Tag ausklingen.
Wir ziehen weiter. Zwar scheint die Sonne, aber um uns herum brauen sich Gewitter zusammen. Wir werden vorsichtig, genau beobachten wir die Wetterveränderungen und wägen vor jeder Überfahrt das Risiko ab. Zu allen Überfluss stellen wir einen Ermüdungsbruch an einer Steuerflosse fest.  Unterhalb des Steuerschafts ist die Flosse zu zweidrittel durchgebrochen. Mit Bordmitteln können wir das Problem lösen.
In einem kleinen Angelboothafen in der Nähe eines Dorfes finden wir einen Zeltplatz. Die Gewässer scheinen sehr Fischreich zu sein. Schon nach kurzer Ausfahrt kommen die einheimischen Angelboote mit 2-3 Hechten zurück.
Wieder haben wir bestes Wetter, ideal für die beiden größeren Überfahrten, welche heute zu bewältigen sind. Das Wasser ist spiegelglatt. So glatt, das wir in Flachwassergebieten die nur Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegenden Findlinge nicht sehen können. Prompt läuft eines unserer schwer bepackten Kajaks mit voller Fahrt auf einen Felsen auf und wird nicht unerheblich beschädigt. Mit Tesaband kann der Schaden behoben werden.
Auf einer schönen Halbinsel vor Haapsalu finden wir einen geschützten Zeltplatz. Das Wetter schlägt um, der Wind nimmt zu, unsere beiden Rolltische sind gerade vom Wind umgeworfen worden. Wir beschließen abzuwarten und einen Ruhetag einzulegen.
Von Helmut aus Hamburg erhalten wir eine langfristige Seewettervorhersage  für unser Fahrtengebiet. Das sieht nicht gut aus. Wir beschließen unseren Plan B (Seekajaktour beenden, Start Kulturprogramm) anlaufen zu lassen.  Mit Bus und Fähre wird das Auto aus Orissaare nachgeholt und die Sightseeing-Tour gestartet. Wir durchqueren die Baltischen Staaten und wandeln in Tallinn, Riga, Danzig, sowie den Masurischen Seen auf den Spuren der deutschen Ordensritter und der Hansezeit.
Vier Tage früher als geplant erreichen wir wieder unser schönes Bootshaus an der Süderelbe in Hamburg- Wilhelmsburg.

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